Jahresende im Stand-by-Modus

OstseeSchon seit Jahrzehnten feiere ich kein Weihnachten mehr. Der ideale 24.12. sieht bei mir so aus, dass ich ausschlafe, auf den Mainzer Wochenmarkt einkaufen gehe, danach gemütlich frühstücke und den Rest des Nachmittags lesend im Sessel versinke. Eine Hand krault die auf der Heizung liegende Katze, um das beruhigende Schnurren am Laufen zu halten, die andere Hand erreicht mühelos die Teetasse. Und langsam wird es draußen immer stiller. Die Geschäfte haben inzwischen geschlossen, der sonst nicht enden wollende Verkehrsstrom versiegt für einen kurzen Augenblick am frühen Nachmittag. Eine einsame Krähe ruft, ein auf dem Rhein gleichmäßig tuckerndes Binnenschiff scheint menschenleer, kleine Wellen glucksen am Ufer, eine Ente quakt. Es ist die Stunde der sonst unhörbaren Geräusche. Selbst das Wetter scheint inne zu halten. Es trägt grau, nicht zu kalt, nicht zu warm. Und dann sind schon wieder die ersten Autos zu hören, die ersten Partygänger durchbrechen lachend die Stille.Fischereihafen TravemündeDieses Jahr ging es am 25.12. per Zug nach Travemünde „nach Hause“. Alles pünktlich, nichts los, Dösen, Lesen, in die graue Landschaft schauen. Die nächsten Tage vergehen unspektakulär: Ausschlafen, Frühstücken, Spazierengehen, Kaffeetrinken, Lesen, Scrabble spielen, Abendessen, Lesen, Schlafen… das Hirn läuft im Stand-by-Modus. Es war schön, wir telefonieren, bis zum nächsten Wiedersehen.

Am 30.12. zurück – wieder alle Züge pünktlich, nichts los, Dösen, Lesen, in die graue Landschaft schauen. Wieder zuhause. Der nächste Tag beginnt mit Ausschlafen, auf den Wochenmarkt einkaufen gehen, gemütlich frühstücken. Draußen ist alles grau in grau. Mein Hirn ist irritiert, waren wir überhaupt weg?